3 Minuten
Konzentrierte Arbeit erfordert eine konzentrierte Atmosphäre. Das ist nicht bloß ein Bonmot, es sollte auch eine Leitlinie in der Ausstattung der Räumlichkeiten sein, in denen man selbst arbeitet. Von der Stille des Lesesaals einer Bibliothek zum inspirierenden Trubel eines Cafés in der Innenstadt soll die Umgebung dazu herangezogen werden, die eigene Arbeit zu beflügeln.
Nun bin ich nach einiger Zeit am selben Ort unruhig geworden und befinde mich auf der Suche nach einem neuen Platz, meine Arbeit optimal unterstützen zu können. Aber wonach soll ich vorgehen, bei all den verschiedenen Möglichkeiten, die einem von Maklern, Innenarchitekten oder den Anbietern prestigeträchtigen Mobiliars herangetragen werden?
Soll es die kühle Moderne werden mit viel Glas, einer Aussicht, die einem die gefühlte Dominanz über die Stadt auf der einen Seite und die Nähe zur Natur auf der anderen Seite bietet? Selbstverständlich hat das seine Vorteile. Die Installationen sind auf dem neuesten Stand, das Raumklima auf ein Zehntelgrad genau einstellbar und die Ablenkungen durch ein monochromes Design minimal. Jedoch hat das seine Tücken. Die Lüftung pumpt meist nur den verbrauchten Atem von der einen Ecke des Stockwerks in die andere. Versucht man, dieses olfaktorische Übel zu beheben, lässt der unweigerliche Luftzug höherer Etagen kleine Wirbelstürme von Zetteln entstehen, die nur dann lustig zu beobachten sind, wenn es nicht die eigenen sind. Durch die Vollverglasung der Wände sieht man fast immer nur das eigene Spiegelbild, statt den Inhalt des Bildschirms. Oder man fährt die Außenjalousien herunter und hat damit soviel Aussicht wie der Sportwagen in der Tiefgarage. Und sollte es mal sonnig und windig sein, wird man Zeuge des technischen Pas de deux zwischen Wind- und Sonnensensor oder zum unfreiwilligen Solarastronomen inklusive Zentralskotom. Eine Pilotenbrille sollte deshalb immer griffbereit liegen.
Wenn nicht modern, dann klassisch. Holzkassettendecken, schwere Vorhänge und ein Schreibtisch dessen Ausmaße die Erdkrümmung erfahrbar machen. Selbstverständlich ist das eigene Büro mit Guéridon, Chaise Lounge und einem Cabinet mit mehr Geheimnissen als der Nachrichtendienst eines mitteleuropäischen Staates ausgestattet. Aber Repräsentation bedarf eines Publikums. Zu schnell wird man selbst blind für die Finesse des Eigenen. Darüber hinaus macht das nur Sinn, wenn man auch seine Gewohnheiten dazu anpasst. So zum Beispiel hoch zu Ross oder per Oldtimer, vorzugsweise mit Chauffeur, anreist und täglich fünf Mal die Garderobe wechselt. Leider kommen die meisten Garagen heutzutage ohne Koppel daher und auch der Schrankraum ohne Butler. Zeremonie braucht als Schauspiel eben auch Statisten. Für einen Solipsisten sind das dann doch zu viele Menschen.
Es gibt noch unzählige weitere Möglichkeiten, seinen Arbeitsplatz zu gestalten. Viele dieser Ideen sind jedoch nur halb funktionale Designideen eines Architekturstudenten, die man niemanden antun sollte, außer den Schöpfer selbst. Mehr aus Sadismus als zu Lernzwecken. Der andere Teil der Konzepte hat etwas unbestreitbar Infantiles. Bei Rutschen zwischen den Stockwerken, Sitzgelegenheiten aus Bohnensäcken kommt eher der Spieltrieb zur Geltung als der Gratifikationsaufschub, also der herbeigesehnte Genius loci.
Bleibt also nur die Flucht in die nomadische Arbeitsform.
480 Wörter
0001-01-01 00:53